Abstract :
[de] Soziodemografische Merkmale von Schüler*innen stehen mit der Bevorzugung und Benachteiligung bestimmter Gruppen von Schüler*innen in Verbindung. Bisher haben sich die meisten Forschungsarbeiten in gegliederten Bildungssystemen—wie in Luxemburg—auf einzelne Merkmale der Schüler*innen, vor allem auf das Geschlecht und den Migrationshintergrund, konzentriert. Allerdings ist wenig über die Auswirkungen der Überschneidung verschiedener Merkmale bekannt. Theorien der Intersektionalität gehen davon aus, dass jede Person mehrere soziale Kategorien repräsentiert und dass die Kombination dieser Kategorien zu unterschiedlichen Erfahrungen und Ergebnissen für den Einzelnen führen kann (Silverstein, 2006), was auch durch empirische Studien bestätigt wurde (Ghavami & Peplau, 2012). Die aktuelle Studie erweitert die bestehende Literatur, indem sie individuelle Merkmale sowie deren Interaktion bei der Vorhersage des Schulübergangs von der Grundschule in die Sekundarstufe berücksichtigt.
In der vorliegenden Studie wurde der Einfluss verschiedener Schüler*innenmerkmale auf die Schullaufbahn untersucht. In Luxemburg spiegelt die Schullaufbahn fast zu 100% die Schullaufbahnempfehlung wider, da diese für Eltern bindend sind. Wir interessierten uns insbesondere für die prädiktiven unabhängigen und interaktiven Zusammenhänge zwischen Schüler*innenmerkmalen in Klasse 3 und dem Schulzweig in Klasse 9.
Die Daten wurden im Rahmen des luxemburgischen Schulmonitoringprogramms „Épreuves Standardisées“ (ÉpStan; Fischbach et al., 2014) erhoben. Die Kohorte umfasst alle Schüler*innen, die im November 2013 in der 3. Klasse des öffentlichen luxemburgischen Bildungssystems eingeschrieben waren, kombiniert mit Daten derselben Schüler*innen in der 9. Klasse im November 2017-2019 für Schüler*innen, die einen regulären Bildungsweg verfolgt haben. Diese werden ergänzt durch Daten von November 2020 und 2021 für Schüler*innen, die ein- oder zweimal Klassen wiederholt haben (N≈3600). In der vorliegenden Studie wurden soziodemografische Merkmale wie Geschlecht, sozioökonomischer Status, zu Hause gesprochene Sprache und Migrationshintergrund sowie Leistungsdaten in Mathematik und Deutsch in der dritten Klasse zur Vorhersage des Schulzweigs in der neunten Klasse verwendet.
Um den Einfluss von Schülermerkmalen auf den Schulzweig zu untersuchen, haben wir eine mehrstufige multinomiale Regressionsanalyse mit random intercepts durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Analysen zeigen, dass die Einstufung in die Schulzweige durch individuelle Merkmale beeinflusst wird. Der Schulzweig in der 9. Klasse wird durch das Geschlecht, den SES, den Migrationshintergrund und die bisherigen Leistungen der Schüler*innen beeinflusst. Jungen haben eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, in den höchsten und eine höhere Wahrscheinlichkeit, in den niedrigsten Schulzweig orientiert zu werden, als Mädchen. Schüler*innen mit Migrationshintergrund oder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus haben eine deutlich geringere Chance, dem höchsten Bildungszweig zugewiesen zu werden. Im Gegensatz dazu scheint die zu Hause gesprochene Sprache keinen Einfluss auf den Schulübergang zu haben.
Die Ergebnisse der intersektionalen Analyse zeigen, dass die meisten Interaktionen auf individueller Ebene nicht signifikant sind. Nur die Interaktion zwischen Geschlecht und Migrationshintergrund ist signifikant, aber die individuellen Effekte verlieren in diesem Modell ihre Bedeutung. Diese Ergebnisse spiegeln wider, dass die Haupteffekte für Geschlecht und Migration durch ihre Interaktion vermittelt werden und dass—im Vergleich zu den anderen Untergruppen—männliche und weibliche Schüler ohne Migrationshintergrund eine ähnliche Wahrscheinlichkeit haben, dem niedrigsten Schulzweig zugewiesen zu werden, während sowohl Mädchen der ersten als auch der zweiten Generation eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, dem niedrigsten Schulzweig zugewiesen zu werden als alle anderen Untergruppen.
Im Einklang mit früheren Untersuchungen (Encinas-Martín und Cherian, 2023; Klapproth et al., 2013) sind die soziodemografischen Merkmale der Schüler*innen signifikante Prädiktoren des Schulübergangs. Das Vorhandensein signifikanter Effekte einzelner Hintergrundprädiktoren bei gleichzeitiger Kontrolle der Schülerleistungen deutet darauf hin, dass Schulübergangsentscheidungen potenziell zuungunsten benachteiligter Schüler*innen, nämlich der Schüler*innen mit Migrationshintergrund, männliche Schüler und Schüler*innen mit niedrigem SES verzerrt sein könnten (siehe Baumert et al., 2006; Timmermans, de Boer, et al., 2018). Die Ergebnisse der intersektionalen Analysen ergaben kein klares Interaktionsmuster. Für die meisten Schüler*innenmerkmale gibt es unabhängige Haupteffekte auf den Schulübergang, mit Ausnahme der Interaktion zwischen Geschlecht und Migrationshintergrund.
Research center :
Faculty of Language and Literature, Humanities, Arts and Education (FLSHASE) > Luxembourg Centre for Educational Testing (LUCET)