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Abstract :
[de] Einstellungen sind in unserem Alltag allgegenwärtig und spielen eine wichtige Rolle bei der Art und Weise, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen und auf sie reagieren (Eagly & Chaiken, 1993). Einstellungen bestehen aus verschiedenen Komponenten (Eagly & Chaiken, 1993): Die kognitive Komponente wird als Stereotype bezeichnet und beschreibt Kognitionen zu Eigenschaften und Verhalten von Mitgliedern einer sozialen Gruppe (Hilton & von Hippel, 1996). Vorurteile als affektive Komponente beschreiben Gefühle gegenüber einem Einstellungsobjekt (Eagly & Chaiken, 1993).
Im Schulkontext spielen Einstellungen ebenfalls eine wichtige Rolle: Studien zeigen, dass Schüler*innen bessere Chancen haben, wenn die Lehrkraft positiver eingestellt ist (van den Bergh et al., 2010). Bestimmte Gruppen von Schüler*innen sind dabei besonders von Stereotypen und Vorurteilen betroffen, zum Beispiel diejenigen mit einem Förderbedarf und/oder Migrationshintergrund (z.B.: Glock et al., 2020; Pit-ten Cate & Krischler, 2020).
Die meiste Forschung hierzu konzentriert sich auf direkte Messmethoden, wobei Stereotype und Vorurteile bewusst abgerufen und in Worte gefasst werden, und widmet weniger Aufmerksamkeit impliziten Stereotypen und Vorurteilen, die tendenziell unbewusster Natur sind (Glock et al., 2020). Allerdings sind diese, besonders bei sensiblen Themen, anfällig für soziale Erwünschtheit und können implizite, das heißt unbewusste, automatische Assoziationen nicht erfassen (Gawronski & De Houwer, 2014). Implizite Einstellungen gelten jedoch als relevant, wenn es um Verhalten geht (Fazio, 1995). Diese bestimmen das Verhalten insbesondere in stressreichen Situationen, in denen wenig Zeit, wenige kognitive Ressourcen und wenig Motivation vorhanden ist. Lehrkräfte nehmen ihre Arbeit als sehr stressreich wahr (Skaalvik & Skaalvik, 2015), weshalb die impliziten Einstellungen im Schulkontext eine hohe Relevanz haben. Wenngleich indirekte Messmethoden mittlerweile viel Beachtung finden, werden diese dennoch weniger häufig eingesetzt als direkte Methoden, die ökonomischer sind. Gerade weil Studien zeigen, dass implizite und explizite Einstellungen bei sensiblen Themen in der Regel nicht übereinstimmen (Nosek, 2007), sollten indirekte Methoden nicht vernachlässigt werden. Daher beschäftigt sich dieses Symposium mit Möglichkeiten, implizite Stereotype und Vorurteile von (angehenden) Lehrkräften zu untersuchen. Es werden bewährte, aber auch neue Methoden vorgestellt.
Der erste Beitrag von Schell und Kolleginnen untersucht implizite Stereotype von Lehramtsstudierenden gegenüber verschiedenen Gruppen von Schüler*innen mit Förderbedarf mittels eines Lexical Decision Task. Dieses Verfahren ist durchaus bewährt, fand jedoch im Kontext der Erfassung von Stereotypen gegenüber Schüler*innengruppen bisher kaum Beachtung. Lehramtsstudierende zeigten sowohl implizite als auch explizite Stereotype gegenüber Schüler*innen mit Förderbedarf.
Im zweiten Beitrag verwenden Stang-Rabrig und Kolleginnen den Impliziten Assoziationstest (IAT), um implizite Einstellungen von Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund gegenüber Schüler*innen mit türkischem Migrationshintergrund zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Kinder als auch Jugendliche im Durchschnitt negative implizite Einstellungen haben, wobei Geschlechtsunterschiede bei den Kindern beobachtet wurden.
Während die beiden ersten Beiträge implizite Verfahren verwenden, die auf der Messung von Reaktionszeiten beruhen, wird im dritten Beitrag von Reichardt und Schmid mit einer Misattributionsaufgabe ein alternatives Maß verwendet, um Inkompetenz-Stereotype von Lehramtsstudierenden gegenüber Schüler*innenn mit türkischem und osteuropäischem Migrationshintergrund zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen implizite Stereotypen, wobei die Art der Stereotypen je nach Herkunftsregion variiert.
Der letzte Beitrag von Bonefeld und Beissert beschäftigt sich ebenfalls mit einem relativ neuen Verfahren: Er untersucht, ob das Linguistic Category Model auf die deutsche Sprache anwendbar ist, um implizite Stereotypen von Lehrkräften zu messen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anwendung auf die deutsche Sprache Schwierigkeiten aufwirft, da die Beschreibungen von Lehrkräften tendenziell in konkreten Kategorien verbleiben und keine klaren sprachlichen Unterschiede aufweisen.
Insgesamt verdeutlichen alle vier Beiträge die Relevanz von impliziten Stereotypen und Vorurteilen im Bildungskontexten. Insbesondere die Einblicke in die verschiedenen indirekten Methoden können Chancen aufzeigen, wie innovative Methoden aus der Einstellungsforschung zu einem besseren Verständnis bezüglich der Rolle von Stereotypen und Vorurteilen bei der Bildungsbenachteiligung führen können. Diskutiert werden die Beiträge von Dr. Ineke Pit-ten Cate.