Katharsis; Admiration in theatre; théâtre classique; 17th century Aristotelism
Abstract :
[en] Starting by discussing the place of tragedy in a secular modern age, the article describes the updates that Pierre Corneille makes to the model of Aristotelian tragedy. In one central aspect, they concern the relationship of the audience to what is happening on stage. While on the one hand the poet only takes up the principle of catharsis in order to be in line with the Aristotelian camp, when in fact he only undermines it in terms of content, on the other hand he focuses on the concept of admiration – a hinge affect that mediates between fascinated interest and critical judgement and that allows a distanced view of the performed actions. By means of it, the playwright teaches the peuple in the auditorium to become a society of wonder, in other words, a mature public that knows how to judge, especially in political terms.
Ausgehend von der Frage nach dem Stellenwert der Tragödie in einer säkularen Neuzeit beschreibt der Artikel die Aktualisierungen, die Pierre Corneille im Modell der aristotelischen Tragödie vornimmt. Sie betreffen in einem zentralen Aspekt das Verhältnis des Publikums zum Bühnengeschehen. Während der Dichter einerseits das Prinzip der Katharsis nur aufgreift, um weiterhin als linientreu zu gelten bzw. um es inhaltlich auszuhöhlen, legt er andererseits sein Augenmerk auf den Begriff der Verwunderung (admiration) – einen Scharnieraffekt, der zwischen fasziniertem Interesse und kritischer Beurteilung vermittelt und der eine distanzierte Sicht auf die vorgeführten Handlungen gestattet. Mit ihm erzieht der Dramenautor das peuple im Zuschauerhaus zu einer Gesellschaft des Staunens, d. h. zu einer mündigen Öffentlichkeit, die sich gerade auch in politischer Hinsicht aufs Urteilen versteht.