Abstract :
[de] Bisherige Studien zum Thema Schreibberatung im anglo-amerikanischen und im deutschsprachigen Raum zeigen, dass Schreibberatungen und Textfeedbackgespräche mit fremdsprachigen Studierenden vom anfänglichen Ideal eines non-direktiven und kollaborativ geführten Gesprächs sowie von einem symmetrischen Verhältnis zwischen Tutor*in und Tutees mitunter deutlich abweichen (Bruffee 1984; Gillespie & Lerner 2000). Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Tutor*innen in fremdsprachigen Kontexten ihre Gesprächsführung direktiver gestalten und stärker in die Problemformulierung und -lösung eingreifen (Powers 1993; Büker & Lange 2010; Lammers 2017). Dies hängt damit zusammen, dass Tutor*innen in mehrsprachigen Kontexten mitunter als kulturelle Informant*innen wahrgenommen werden (vgl. Powers 1993) und Studierende mit niedrigerem Sprachniveau in der Zielsprache häufig mit dem Finden adäquater schriftsprachlicher Lösungen überfordert sind (Blau & Hall 2002; Ulmi et al. 2014). In diesem Vortrag wird der Frage nachgegangen, welche Rolle Schreibtutor*innen in mehrsprachigen Kontexten einnehmen. Dafür werden Ergebnisse aus einer Untersuchung von Textfeedbackgesprächen vorgestellt, die an der mehrsprachigen Universität Luxemburg 2021 durchgeführt wurden (Huemer & Rehberger in Druck). Konkret handelt es sich um Online-Textfeedbackgespräche einer erfahrenen studentischen Schreitutorin mit fünf verschiedenen Studierenden, die Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache sprechen. Inhalt der Schreibberatungen waren Textentwürfe, die im Rahmen eines Seminars zum wissenschaftlichen Schreiben in der Sprache Deutsch verfasst wurden. Die Gespräche wurden transkribiert und mit konversationsanalytischen Methoden und mikrosprachlichen Analysen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Tutorin ihre Beratungsrolle abhängig vom jeweiligen Sprachniveau der Studierenden flexibel gestaltet. Dabei lassen sich Unterschiede zwischen den Gesprächen mit Studierenden, die Deutsch als Fremdsprache und Studierenden, die Deutsch als Zweitsprache sprechen, erkennen. Anpassungen der Tutorin an das Sprachniveau der Studierenden betreffen u.a. die Art der Gesprächsführung, die gewählte Sprechgeschwindigkeit und Sprachkomplexität der Tutorin, den Detailierungsgrad angesprochener Themen, das Vorgehen bei Problemformulierung und Problemlösung sowie das Ausmaß an Verständnissicherung im Gespräch. Die Reflexionen der Tutorin, die auf Basis von Gesprächsprotokollen vorgenommen wurden, zeigen zudem, dass die flexible Anpassung an das Sprachniveau der Studierenden von der Tutorin als durchaus anspruchsvolle Aufgabe wahrgenommen wird, die ein hohes Maß an Flexibilität und Erfahrung voraussetzt. Als Konsequenz daraus wird eine Thematisierung sprachsensibler Schreibberatungsmodelle (Knorr 2021) in der Ausbildung von Schreibtutor*innen empfohlen.