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Abstract :
[de] Theoretischer Hintergrund
Neben der allgemeinen und domänenspezifischen Kompetenz von Lehrkräften bestimmen die Klassenführung und die Beziehung zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen den Lernerfolg der Schüler*innen (Korpershoek et al., 2016). Die Klassenführung umfasst Strategien, die durchgeführt werden, um Ordnung zu schaffen (Doyle, 2006) und die aktive Arbeitszeit zu maximieren (Ophardt & Thiel, 2013), wobei eine Kombination von präventiven und intervenierenden Strategien zu einer effektiven Klassenführung beitragen (Little & Akin-Little, 2008). Das Modell des zwischenmenschlichen Lehrer*innenverhaltens (Wubbels et al., 2006) klassifiziert das Verhalten von Lehrkräften in die zwei Dimensionen Einfluss und Nähe, wobei eine Kombination aus autoritärem und tolerantem Verhalten als optimal angesehen wird (Wubbels & Brekelmans, 2005).
Eine effektive Klassenführung und das Verständnis der Lehrkräfte für Faktoren im Zusammenhang mit dem Externalisierungs- und Internalisierungsverhalten von Schüler*innen können im Hinblick auf die Umsetzung inklusiver Bildung besonders relevant sein. Die von Lehrer*innen gewählten Strategien können jedoch durch ihre Überzeugungen und Erwartungen an bestimmte Gruppen von Schüler*innen beeinflusst werden (Bibou-Nakou et al., 2000), die mit Stereotypen in Verbindung stehen. Diese Stereotype können durch Etikettierungen aktiviert werden, beispielsweise durch eine Diagnose von sonderpädagogischem Förderbedarf (Hornstra et al., 2010). Solche Diagnosen können die Erwartungen beeinflussen und zu erhöhter Akzeptanz und Toleranz führen, und Lehrer*innen wenden oft unterschiedliche Standards und Strategien an, um auf diese Schüler*innen zu reagieren und sie zu unterstützen (Andreou & Rapti, 2010; Georgiou et al., 2002).
Fragestellung
Die Studie zielte darauf ab, die Klassenführung und das zwischenmenschliche Lehrer*innenverhalten als Funktion des Schülerverhaltens und einer klinischen Diagnose zu untersuchen. Wir erwarteten erstens, dass die Lehramtsstudierende bei der Konfrontation mit externalisierendem Verhalten im Vergleich zu internalisierendem Verhalten eine strengere Klassenführung und negativeres zwischenmenschliches Verhalten zeigen und zweitens, dass die Lehramtsstudierenden ihre Strategien in Abhängigkeit von einer Diagnose des sonderpädagogischen Förderbedarfs anpassen.
Methode
An der Studie haben 254 Lehramtsstudierende (143 weiblich) teilgenommen. Die Teilnehmer*innen wurden gebeten, anhand von Schülervignetten eine Bewertung bezüglich einer passenden Klassenführung (Neuenschwander et al., 2003) und eines angemessenen zwischenmenschlichen Lehrer*innenverhaltens abzugeben (Fisher et al., 1995; Wubbels et al., 2006). Die Schülervignetten beschrieben zwei unterschiedliche Schüler mit externalisierende oder internalisierende Verhaltensauffälligkeiten (s.a. Glock, 2016; Glock & Kleen, 2017). Um den Einfluss der Diagnose auf die Antworten der Teilnehmer*innen zu untersuchen, variierten wir systematisch das Vorliegen einer klinischen Diagnose. Daher folgte die Studie einem 2 (Diagnose: ja/nein) x 2 (Verhalten: internalisierend/externalisierend) Zwischensubjekt Design.
Ergebnisse und ihre Bedeutung
Die Daten zur Klassenführung wurden mit einer 2x2 MANOVA ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten signifikanten Haupteffekte für Schülerverhalten und Diagnose, das heißt die angegebenen Klassenführungsstrategien variierten in Abhängigkeit des Schülerverhaltens (externalisierend vs. internalisierend) und Diagnose (ja/nein). Auch der Interaktionseffekt Verhalten x Diagnose war signifikant. Die Ergebnisse zusätzlicher ANOVAs zeigten, dass Lehramtsstudierende als Antwort auf Schüler mit externalisierenden Verhalten strengere Kontrolle (Regeln setzen) und mehr Flexibilität anwenden als auf internalisierendes Verhalten, vor allem wenn die Schüler mit internalisierenden Verhalten eine Diagnose sonderpädagogischen Förderbedarfs haben.
Die Angaben zu dem zwischenmenschlichen Verhalten wurden mit einer 2x2 MANOVA analysiert. Auch hier waren die beiden Haupteffekte (Schülerverhalten und Diagnose) und der Interaktionseffekt (Verhalten x Diagnose) signifikant. Zusätzliche ANOVAs zeigten, dass Lehramtsstudierende im Allgemeinen autoritative zwischenmenschliche Verhaltensmuster bevorzugen, die durch Kooperation und eine gewisse Dominanz charakterisiert werden.
Insgesamt zeigen die Befunde, dass Lehramtsstudiere ihre Klassenführung und zwischenmenschliches Verhalten an das Schülerverhalten und an eine klinische Diagnose anpassen. Die Lehramtsstudierenden passten ihre Strategien an, wenn Schüler eine klinische Diagnose erhielten, und wurden toleranter und unterstützender für Schüler mit internalisierendem Verhalten, während sie vor allem strengere Kontrolle und Strategien zur Begrenzung störenden (externalisierenden) Schülerverhalten anwendeten, unabhängig von einer Diagnose. Diese Befunde können teilweise auf bestehende Überzeugungen und Erwartungen hinweisen, insbesondere da die Lehramtsstudierende weniger bereit sind, externalisierendes Verhalten zu tolerieren.
Research center :
- Faculty of Language and Literature, Humanities, Arts and Education (FLSHASE) > Luxembourg Centre for Educational Testing (LUCET)