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Abstract :
[en] Konrad Fleck konstruiert in seinem Liebes- und Abenteuerroman Flore und Blanscheflur einen Anfangsrahmen, der ein eindrückliches Beispiel für die spezifische Verschränkung von Mythos und Realität liefert und so der Erzählung – bereits vor deren eigentlichem Beginn – eine besondere Prägung verleiht. Indem der mythische Raum sich einer absoluten, faktualen Rationalität entzieht und einer Zeitbetrachtung untersteht, die „der weitergehenden Erklärung weder fähig noch bedürftig ist“ (Cassirer), kommt ihm zugleich ein erweiterter Referenz- und Möglichkeitsraum zu, der auch die Einbettung fiktionaler Figuren in einen historischen Kontext zu- bzw. unproblematisch werden lässt.
Die genealogische, pseudo-historische Anbindung des Helden an Karl den Großen motiviert die Erzählung in doppelter Ausrichtung, indem die fiktionale Geschichte um Flore legitimiert und gleichermaßen zur Ursprungserzählung der Karlsherrschaft stilisiert wird.
Darüber hinausgehend nutzt Konrad den Bezug für die Konzeption eines Herrschertyps, der, im Umweg über die Muttergeneration (Berthe) und damit über die weibliche Abstammungslinie, bisher ausgeblendete Herrschertugenden, wie Empathie, Glaube und triuwe, einbezieht. Mit Flore treffen wir auf einen Helden, der ein – auch von den klassischen Karlsgeschichten – abweichendes Herrschaftsbild verkörpert, auf einen Helden der ‚großen Gefühle‘.
Der Floreroman kann damit als anschauliches Exempel dafür betrachtet werden, wie mythische Denk- und Erzählformen für eine realhistorische, mittelalterliche Thematik, nämlich die Frage nach vorbildlicher Herrschaft und Herrschaftsidentität, in Anspruch genommen, wie Gegenwart mit Hilfe von mythischem Erzählen legitimiert und plausibilisiert werden kann. Der Vortrag nimmt hierbei insbesondere in den Blick, in wiefern der mythische Anfangsrahmen des untersuchten Textes den Hörer auf eine bestimmte Lesart einstimmt und seine Wahrnehmung der folgenden Erzählung zu prägen vermag.