Die “Erfindung“ der Karte als Medium zur Konstruktion und zur Vermittlung räumlichen Wissens: Lothringen als europäisches Innovationszentrum zu Beginn des 16. Jahrhunderts

Das Paper widmet sich die Analyse von Karten als einem neuen Quellentypus der vormodernen Wissenswelt, der sich auch als überaus geeignetes Medium zur Verbreitung territorialpolitischer Propaganda einsetzen ließ.
Die Anfänge dieser Entwicklung lassen sich zeitlich auf den Übergang vom späten 15. zum frühen 16. Jahrhundert eingrenzen; und räumlich auf die kleine Stadt St. Dié in den Vogesen. Hier kamen unter der Herrschaft Herzog Renés II. von Lothringen einige herausragende Gelehrte zusammen, die quasi als „interdisziplinäres Team“ wichtige Impulse setzten. Sie entwickelten Modelle, wie räumliches Wissen auf neuartige Weise kartographisch konstruiert und vermittelt werden konnte. Anhand zweier Beispiele wird vor allem die Bedeutung des Kartographen Martin Waldseemüller bei der Entwicklung dieser Wissensräume deutlich. So zeigt seine Weltkarte von 1507, dass Geographen von nun an maßgeblich bestimmten, wie das durch die großen Entdeckungen rasant angewachsene räumliche Wissen in Form von Karten neu strukturiert, definiert und verbreitet wurde. Mit der Lothringen-Westrich-Karte von 1508/1513 konstruierte Waldseemüller zudem erstmals einen territorialen Herrschaftsraum mit zahlreichen innovativen kartographischen Mitteln und zu propagandistischen Zwecken.