Analyse historischer Altkarten des Rhein-Maas-Moselraums vom frühen 16. Jhd. bis zum Ende des Ancien Regimes

Im PhD Projekt an der Universität Luxemburg (Betreuer Martin Uhrmacher) geht es zunächst um die Erstellung eines Corpus der gedruckten Altkarten des Raumes zwischen Mittelrhein und Maas, insbesondere der Territorien des Kurstaats Tier und des Herzogtums Luxemburgs. Das Corpus der existierenden Karten wird klassifiziert und genealogisch strukturiert um Abhängigkeiten zwischen den Karten oder Einflüsse von außen aufzeigen zu können. In einem long durée Ansatz wird der Zeitraum von 1500 bis zum Ende des Ancien Regimes betrachtet, geleitet wird die Analyse der Altkarten durch folgende Fragestellungen:
– Welche Quellen liegen den Karten zugrunde? Handelt es sich um ältere gedruckte Karten, die mehr oder weniger exakt kopiert wurden, oder gehen sie auf Landesaufnahmen in der Region zurück?
– Welche Abhängigkeiten (ähnlich Netzwerkstrukturen) lassen sich in chronologischer Reihung rekonstruieren? Gibt es Primärkarten, die eine große Anzahl späterer Karten beeinflusst haben?
– Wer hat aus welchem Interesse die Herstellung von Karten initiiert? Waren es die regionalen Landesherren im Kontext der frühneuzeitlichen Territorialisierung, oder Gelehrte, die neues geographisches Wissen publizieren wollten, oder waren es kaufmännisch orientierte Verleger, die mehr am Gewinn als an der Aktualität der dargestellten Karteninhalte interessiert waren?
– Wie lässt sich der Kartenmarkt des Untersuchungsraums beschreiben? Wer kaufte Karten zu welchem Zweck?
– In welchem zeitlichen Abstand wurden territoriale Veränderungen in Karten berücksichtigt und wie wurden diese inhaltlich dargestellt?
Ein wesentlicher Aspekt der Untersuchung, der im Vortrag thematisiert werden soll, ist die Aufdeckung von Abhängigkeiten und inhaltlichen Beeinflussungen zwischen Karten des Corpus. Ein „Einfluss“ in diesem Kontext wird unterstellt, wenn beide Karten ein hohes Maß an Ähnlichkeit aufweisen und es eine belegbare oder vermutete Beziehung zwischen den Karten bzw. den Autoren gibt.
Die Ähnlichkeit wird mit Hilfe der kartometrischen „Distanz“ zweier Karten berechnet oder – falls die Kartometrie keine Aussage erlaubt – durch eine quantitative Analyse der Toponyme nachgewiesen. Je mehr die Ortsnamen in beiden Karten übereinstimmen, umso mehr kann eine Ähnlichkeit angenommen werden. Ein drittes und besonders trennscharfes Instrument ist der Vergleich kartographischer Besonderheiten und Auffälligkeiten.
Allerdings reicht eine konstatierte Ähnlichkeit zweier Karten nicht immer aus, um auch einen Einfluss nachzuweisen, denn schließlich können Karten unabhängig entstanden sein und sich trotzdem ähneln. Deshalb muss zusätzlich eine kartographiehistorische Beziehung im analytischen Vergleich zwischen Karten oder durch Beziehungen zwischen den Autoren nachgewiesen werden. Dieser Nachweis gelingt leicht, wenn die Beziehung gut dokumentiert ist (z.B. durch familiäre Beziehungen, die Übernahme einer Kartenmacherwerkstatt, den Verkauf von Kupferplatten, etc.). Schwieriger wird es, wenn Beziehungen durch Indizienketten nur vermutet werden können.