Abstract :
[de] Theoretischer Hintergrund: Studierende haben viele Freiheiten in der Gestaltung ihres Alltags, fühlen sich aber oft auch gestresst und hin- und hergerissen zwischen Handlungsmöglichkeiten (Grund et al., 2014). Solche intrapsychischen Konflikte werden häufig als ursächlich für psychisches Wohlbefinden betrachtet (Gorges & Grund, 2017). Achtsamkeit beinhaltet die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das unmittelbare Erleben und eine offene und nicht wertende Haltung gegenüber diesen mentalen Erfahrungen. Sie steht in einem positiven Zusammenhang mit Wohlbefinden und intrapsychischen Kongruenz und könnte daher hilfreich für eine gelungene Selbstregulation sein (Brown & Ryan, 2003; Carlson, 2013).
Fragestellung: Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Beziehung zwischen Achtsamkeit, motivationalen Konflikten und wahrgenommenem Stress im Alltag von Universitätsstudenten zu untersuchen und dabei auch Hinweise für mögliche Wirkmechanismen zu sammeln.
Methode: Im Rahmen einer einwöchigen smartphone-gestützten Experience-Sampling-Studie wurden 107 Universitätsstudenten fünfmal täglich zu ihrer momentanen Achtsamkeit (in den Facetten Mit Aufmerksamkeit handeln und Akzeptieren ohne Bewertung) und ihrem motivationalen Konflikterleben (in den Facetten Wollen-Konflikte und Sollen-Konflikte) befragt. Zusätzlich wurde jeden Abend ihr Stresserleben erhoben. Die Beziehung zwischen täglicher Achtsamkeit, motivationalen Konflikten und wahrgenommenem Stress wurde auf Tagesebene mit Mehrebenenanalysen analysiert.
Ergebnisse und Diskussion: Sowohl alltägliche Wollen-Konflikte als auch Sollen-Konflikte waren ein Prädiktor für abendliches Stresserleben. Je intensiver der Eindruck über den Tag, etwas anderes tun zu wollen und zu sollen, umso mehr abendlichen Stress berichteten die Studierenden. Diese Effekte blieben auch bestehen, wenn das Stresslevel vom Vortag kontrolliert wurde. Dieser Befund stärkt die Interpretation, dass intrapsychische motivationale Konflikte tatsächlich abträglich für das Wohlbefinden sind und nicht nur ein Begleitumstand. Wurden beide Achtsamkeitsfacetten zusätzlich in das Regressionsmodell aufgenommen, verloren beide Konfliktvariablen ihre Vorhersagekraft; stattdessen zeigte sich ein direkter Effekt für Achtsamkeit in der Ausprägung Akzeptieren ohne Bewertung.
Die Ergebnisse unterstreichen die Relevanz motivationaler Konflikte und Achtsamkeit für das Stressempfinden in akademischen Kontexten. Da Achtsamkeit trainierbar ist, zeigen sie auch einen potentiellen Ansatz auf, um das Wohlbefinden von Studierenden in Zukunft positiv zu beeinflussen.
Literatur:
Brown, K. W., & Ryan, R. M. (2003). The benefits of being present: Mindfulness and its role in psychological well-being. Journal of Personality and Social Psychology, 84, 822–848. doi:10.1037/0022-3514.84.4.822
Carlson, E. N. (2013). Overcoming the barriers to self-knowledge: Mindfulness as a path to seeing yourself as you really are. Perspectives on Psychological Science, 8, 173–186. https://doi.org/10.1177/1745691612462584
Gorges, J., & Grund, A. (2017). Aiming at a Moving Target: Theoretical and Methodological Considerations in the Study of Intraindividual Goal Conflict between Personal Goals. Frontiers in Psychology, 8, 2011. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.02011
Grund, A., Brassler, N. K., & Fries, S. (2014). Torn between study and leisure: How motivational conflicts relate to students’ academic and social adaptation. Journal of Educational Psychology, 106, 242–257. doi:10.1037/a0034400