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Abstract :
[de] Zwischen 1965 und 1994 hat sich die Zahl der nichtdeutschen Schüler/innen in der Bundesrepublik
Deutschland verzwanzigfacht. Seit dem Jahr 1991 gehen mehr als eine Million Schüler/innen mit
ausländischem Pass in (west-)deutsche Schulen; d.h. circa jede/r zehnte Schüler/in hat eine
nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Über diese zahlenmäßige Präsens hinaus bieten die Vergleiche
zwischen deutschen und nichtdeutschen Schülern/innen allgemein und zwischen deutschen und
nichtdeutschen Sonderschülern/innen eine Perspektive, welche die Herausforderungen des
Bildungssystems der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Institutionalisierung und Expansion
darstellt. Gleichzeitig stellen „in der BRD (...) die Ausländerkinder eine Gruppe dar, der im
Bildungswesen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muß, wenn sie nicht schulisch
erheblich benachteiligt werden soll“ (Arbeitsgruppe Bildungsbericht am MPIB, 1994: 364).
Von 1970 bis 1979 stieg der Anteil nichtdeutscher Schüler/innen an den Sonderschulen im Vergleich
zu den Schülern insgesamt kontinuierlich an (Trommer/Köhler 1981: 130). Dieser Trend setzte sich
fort, so dass bis 1999 nahezu 15% aller Sonderschüler/innen nichtdeutscher Herkunft waren, obwohl
Schüler/innen nichtdeutscher Herkunft nur 9,4% aller Schüler/innen in der Bundesrepublik
ausmachten. Das bedeutet für 1999 eine Überrepräsentanz ausländischer Kinder und Jugendlicher an
deutschen Sonderschulen von 1,56. Parallel dazu zeigen die folgenden Analysen eine hohe Varianz
zwischen den Bundesländern in der Sonderschulzuweisung nichtdeutscher Schüler/innen sowie
unter den europäischen Nationalitäten (im Schuljahr 1998/99: von 0,5% bis hin zu 13,6%). Zugleich
gibt es historisch Verschiebungen in der Begründung des Förderbedarfs zwischen dem größten
Förderschwerpunkt „Lernen“ (von 82% auf 54% zwischen 1970-98) und anderen Kategorien des
Förderbedarfs, die an Bedeutung gewonnen haben.
Regionale Unterschiede in der Verteilung von Migrantenjugendlichen unter den einzelnen
Sonderschularten sind u.a. Ausdruck der Differenzen in der Bildungs- bzw. Schulpolitik der Länder.
So existieren große Unterschiede in der Akzeptanz integrativer pädagogischer Ansätze und Konzepte,
der Ausbildung der Lehrer/innen und in der historischen Entwicklung verschiedener Schulformen.
Die Existenz von Hauptschulen und Sonderschulen als quasi „untere bzw. separate Bildungsgänge“
sowie die Veränderung ihrer Schülerschaft in Folge der Bildungsexpansion und eine allgemein höhere
Bildungsbeteiligung resultieren unter anderem darin, dass zwei von zehn nichtdeutschen
Schulentlassenen die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen und deren „Misserfolgsquote“
immer noch ca. 2,5-mal so hoch ist wie bei den deutschen Jugendlichen (Solga 2001).
Um die ausgewiesenen Ergebnisse zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund an deutschen
Sonderschulen adäquat einordnen zu können, werden in diesem Arbeitspapier auch ausgewählte Daten und Fakten zur allgemeinen Bildungsbeteiligung von Jugendlichen ausländischer Herkunft
dargestellt und es wird auf demographische Schlüsseldaten eingegangen.
Insgesamt zeigen die im Folgenden dargestellten Zahlen deutlich, dass—wie es heute in der Politik
und den Medien nun endlich reflektiert wird—Jugendliche nichtdeutscher Herkunft im deutschen
Bildungssystem benachteiligt sind und man immer noch versucht, ihre „Lernbehinderung“—die zum
Großteil auch auf eine gesellschaftliche „Lernblockierung“ zurückgeht—mittels Sonder- bzw.
Förderschulen und damit mittels institutioneller Separierung statt Integration zu lösen.